Die Welt kompakt 16.02.15
Gastkommentar
Unabhängigkeit für eine bessere Zukunft
Von
Carme Focadell
Katalonien durchlebt
zurzeit einen in Europa einzigartigen politischen Prozess. Drei Jahre
lang hat dieser mehr als 20 Prozent der Bevölkerung in riesigen
Kundgebungen vereint, die stets friedlich und demokratisch abliefen. Es
handelt sich um eine inklusive Unabhängigkeitsbewegung, in der weder die
Herkunft noch die Sprache entscheidend sind, sondern der Wille, ein
sozial gerechteres und wirtschaftsstarkes Land zu gründen, um seinen
Bürgern eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Dieses Projekt umfasst alle
politischen und sozialen Schichten, vom Bürger bis zum Abgeordneten.
Die Ungleichbehandlung der Katalanen durch den spanischen Staat – wie
die Angriffe auf unsere Sprache und Kultur, ein Fiskaldefizit von
jährlich 16 Milliarden Euro (acht Prozent des BIP Kataloniens) und
fehlende staatliche Investitionen in lebenswichtige Infrastrukturen wie
Barcelonas Hafen, während unrentable Hochgeschwindigkeitsstrecken gebaut
werden –, und die konstanten Eingriffe in die Zuständigkeiten der
katalanischen Regierung haben dazu geführt, dass eine große Mehrheit der
Bürger die Unabhängigkeit als einzigen Ausweg für ihr Land sieht. Wir
Katalanen sind mit Spanien
eng verbunden, ob auf sprachlicher, familiärer, historischer oder
wirtschaftlicher Ebene, und wir möchten diese Gemeinsamkeiten auch
erhalten. Die katalanische Gesellschaft ist solidarisch,
verantwortungsbewusst, Europa-orientiert und hat den Wunsch, einen
sozial gerechten Staat für alle aufzubauen, einen Staat freier Bürger
mit den gleichen Rechten und Pflichten, mit einer erneuerten Demokratie
und Politik. Am 11. September 2014 formten 1,8 Millionen Bürger ein
riesiges "V" für "Votar" (abstimmen), um ein verbindliches Referendum
über die Unabhängigkeit zu fordern. Warum sucht Spanien, ein angeblich
demokratischer Staat, keine politische Lösung für einen politischen
Konflikt?
Trotz aller Hindernisse
haben am 9. November fast 2,4 Millionen Bürger in einer Volksbefragung
über die Unabhängigkeit abgestimmt, und am 27. September werden die
Regionalwahlen das Referendum darstellen, das uns verweigert wurde. Und
wenn es die Mehrheit der Katalanen wünscht, ist dies der erste Schritt
zu einem neuen Staat in Europa.Die Autorin ist Präsidentin der Katalanischen Nationalversammlung
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